Nachlese Fortbildung: TikTok, KI und Desinformation

Was geht ab auf TikToK?

Am 06.06.2024, frisch nach der Europawahl und Kommunalwahl in Potsdam, begrüßten Isgard Walla vom lmb und Michael Kaden von der Digital Agentur Brandenburg (DABB) die Teilnehmenden im LAB Potsdam. Dass die Wahlergebnisse das Interesse an KI, Desinformationen und TikTok zusätzlich befeuerten, war zu spüren. Der Großteil der 22 teilnehmenden Fachkräfte kam aus der außerschulischen Bildungs- und Präventionsarbeit. Sie wollten wissen, wie sie das Mediennutzungsverhalten ihrer Zielgruppe besser verstehen können. Wie kann man Jugendliche dazu anregen, ihren TikTok-Konsum zu reflektieren? Ist das möglich und notwendig bei einer so schnelllebigen Plattform, wo Beiträge eine so kurze Lebensdauer haben? Laut JIM-Studie ist gerade TikTok bei der Generation Z beliebt.

Viele der Teilnehmenden kannten sich zwar im Internet aus, aber sie waren nicht im Bilde darüber, wie TikTok im Detail funktioniert, wie Algorithmen Informationen in die Kanäle der Jugendlichen spülen und wie Desinformationen sich dort verbreiten.

TikTok ist das neue Google

Als erste Referentin des Tages begrüßte Charlotte Lohmann von der Amadeu Antonio Stiftung die Gruppe. Sie stellte zunächst zwei Projekte (demo:create  und pre:bunk) vor, die sich auf TikTok aktiv mit der Aufklärung antidemokratischer Inhalte befassen und über Desinformationen aufklären. Danach gab es einen TikTok-Crashkurs. Die Teilnehmenden konnten dabei Profile, Trends und Kanäle kennenlernen. Besonders die „Für dich“ Seite stand im Fokus. Anschließend gab es weitere Einblicke in das Mediennutzungsverhalten der Generation Z. Die Studienlage zeigt: etablierte Medien stehen ähnlich in der Krise wie die großen Volksparteien. Um sich über politische oder gesellschaftliche Themen zu informieren, benutzt die Generation Z lieber TikTok als Recherche-Tools.

Wem nützen Desinformationen?

Charlotte Lohmann betonte eindringlich, dass antidemokratische Akteur*innen im digitalen Raum sehr gut aufgestellt seien. Sie wissen, wie man emotionalisierte, populistische oder pauschalisierenden Content generiert und verteilt. KI hilft, davon noch mehr zu reproduzieren und zu visualisieren. Diese Meinungen verfolgen die User*innen wie ein Grundrauschen in ihren Kanälen. Hier muss Bildung ansetzen und als korrektiv agieren, lautet der Appell. Jugendlichen müssen Wege aufgezeigt werden, wie sie Desinformationen demaskieren und wie sie selbst aus der Filterblase herauskommen und die Gesellschaft als diverse und vielfältige Gemeinschaft erkennen und diese auch so gestalten. Menschenhass ist kein digitales Phänomen, sondern entsteht aus der Gesellschaft heraus. Aber im digitalen Raum nimmt die Präsenz dieser Meinungen zu. Es wird Zeit, sich Strategien der Gegenwehr zu überlegen. Politische Bildung und Medienbildung sind miteinander verschränkt.

Gegenwehr starten!

Wie man Gegenwehr startet, konnte Solveig Barth vom Institute for Strategic Dialogue (ISD) mit Beispielen und Handlungsempfehlungen aufzeigen. Zunächst klärte sie darüber auf, wie sich Desinformation und Falschinformation unterscheiden oder wie man aus einer Information eine Schadensabsicht ableitet. Man kann noch so gute Recherche-Skills haben; oftmals bleibt einem der Urheber, die Urheberin oder das Original einer Desinformation verborgen, erwähnt sie nachdrücklich. Man stößt immer wieder auf eine Kopie oder eine neue Kontextualisierung. Solveig Barth erklärt, dass das Demaskieren von Falschnachrichten nur ein Schritt der Bildungsarbeit sein kann. Sie spricht sich für eine aktive Rolle im Netz aus. Was kann ich (noch) tun? Wie kann ich meine Stimme und mein Wissen einsetzen, um Desinformationen zu verhindern? Wie kann ich mein Klickverhalten verändern und den Algorithmus beeinflussen? Einige Strategien (reaktiv/proaktiv/taktisch/strategisch) hat sie auf ihrem Handout aufgeführt. Die Teilnehmenden konnten einige Tipps im Anschluss gleich ausprobieren. „Verhindern“ ist ein breitgefächerter Begriff im Internet und er zwingt uns dazu, sich mit unseren Interaktionsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

„Wir wollen die Unentschlossenen, die Mitlesenden erreichen!“

Nach den Inputs und einer Mittagspause machten sich die Teilnehmenden auf Spurensuche und wendeten das neue Wissen an, um die eigene Handlungskompetenz zu testen.  Als Einstieg wurde in Gruppen ein Internetbeitrag stilistisch zerlegt. Danach konnte man TikTok-Profile vergleichen und über die Google Rückwärtssuche der Echtheit von Bildquellen auf die Spur kommen. Mit Begeisterung stellten die Teilnehmenden fest, wie gut es sich mit den Faktencheck-Seiten im Internet arbeiten lässt und wie dies das eigene Selbstbewusstsein stärkt, in Gegenrede zu treten. Das gibt Rückendeckung. Die Fachkräfte merkten an, dass einige Themen und Debatten in ihrem Arbeitsalltag hoch emotionalisiert sind und man einige Jugendliche nicht mehr durch Fakten erreicht. Die Expert*innen bestärken die Gruppe, am Ball zu bleiben. Es geht nicht darum, andere Menschen zu bekehren oder ihnen ihre Meinung abzusprechen, sondern vor allem darum, Haltung zu zeigen und demokratiefeindliche Standpunkte nicht tatenlos stehenzulassen oder ihnen Raum in sozialen Netzwerken (auch WhatsApp-Gruppen) zu bieten. Man setzt ein Zeichen für die stillen Mitlesenden, die sich einer offenen Debattenkultur noch nicht verschlossen haben.

Es gab am Ende noch viel Redebedarf und Isgard Walla und Michael Kaden moderierten die offene Fragerunde. Den Wunsch nach weiterem Austausch nehmen lmb und DABB mit. Wie kann man Jugendliche aktivieren, ihre demokratischen Werte zu verteidigen, ohne dass sie sich dabei selbst in Gefahr bringen? Das ist eine von vielen spannenden Fragen, die sich die Teilnehmenden für eine Folgeveranstaltung wünschten. Einige Teilnehmende können sich sogar vorstellen, selbst Videos für TikTok zu produziert. DABB und lmb sind erfreut über so viel Zuspruch und Interesse. Es gab viel Input, um weitere Anschlussformate zu entwickeln.

Zu dieser Veranstaltung gibt es eine ausführliche Projektdokumentation, diese finden sie hier: Konzept für Multiplikator:innen im Themenfeld „TikTok, KI und Desinformation“ – lmb – Landesfachverband Medienbildung Brandenburg e.V. (medienbildung-brandenburg.de)

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27. Juni 2024