Wie Fachkräfte der Jugend(sozial)arbeit in Brandenburg die Coronakrise meistern
Der Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg e. V. (FJB) und der Landesfachverband Medienbildung Brandenburg e. V. (lmb) befragten im Zeitraum April bis Mai diesen Jahres 166 Fachkräfte der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit aus Brandenburg nach ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Einschätzungen bezüglich digitaler Angebote. Sowohl lmb als auch FJB sehen in den Ergebnissen der Online-Befragung einen überzeugenden Beleg für die Flexibilität und das hohe Engagement der Jugendarbeiter:innen, sich an den Bedürfnissen und Lebenslagen junger Menschen ausrichten und entsprechende Angebote unterbreiten zu können.
Jugend(sozial)arbeit hält Kontakt
Quer durch alle Handlungsfelder der Jugend(sozial)arbeit gelang es Mitarbeiter:innen mehrheitlich, innerhalb kurzer Zeit Tools zu nutzen und Angebote zu entwickeln, um die Erreichbarkeit trotz pandemiebedingter Einschränkungen sicherzustellen. 3 von 5 Befragten gaben an, bereits zu Beginn des Lock-Downs Unterstützung und Beratung auch digital gewährleisten zu können. Diese Erreichbarkeit ist jedoch kein Garant für die auslastende Nutzung durch die Adressat:innen. Es wird deutlich, dass eine verlässliche (analoge) Beziehungsarbeit Grundlage für die Attraktivität von digitalen Angeboten ist. Digitale Formen von Jugend(sozial)arbeit können demnach klassische Strukturen nicht ersetzen, sie vervollständigen den lebensweltlichen Zugang zur jugendlichen Zielgruppe.
Fachkräfte schulbezogener Angebote standen vor der besonderen Herausforderung einer weitgehend unvorbereiteten schulischen Digitalisierung. Außerschulische Kontaktformen mussten zum Teil gänzlich neu entwickelt werden. Hier könnte eine perspektivische Öffnung schulinterner Cloud-Anwendungen für mit dem System Schule verbundene außerschulische Bildungsexpertise spürbare Synergien erzeugen.
Rechtliche Hürden in der Kontakt- und Beziehungspflege
Da sich Jugendarbeit stets an den Interessen junger Menschen orientiert, ist das Nutzungsverhalten der Adressat:innen regelmäßig zentrales Kriterium für die Auswahl digitaler Werkzeuge. Bei der Installation von Tools und der Registrierung auf neuen Social-Media-Plattformen erfolgte die Datenschutzabwägung während der Pandemie häufig zugunsten eines erleichternden Zugangs zur Zielgruppe. Die Tatsache, dass jungen Menschen die Funktionalität in der Regel wichtiger ist als der umfassende Schutz ihrer persönlichen Daten, erschwert es den Fachkräften, sich auf eine Auswahl DSGVO-konformer Anwendungen zu konzentrieren. Um hier Handlungssicherheit für die Mitarbeiter:innen zu schaffen, sind klare Regeln des jeweiligen Trägers sowie ein für die Zielgruppe verständliches und transparentes Einwilligungsverfahren erforderlich. Darüber hinaus sind sowohl Vertreter:innen der Exekutive (z. B. Ministerien, Landesdaten-schutzbeauftragte) als auch der Fachverbände aufgefordert, praxisorientierte Arbeitshilfen für einen rechtssicheren Umgang mit digitalen Medien zu erarbeiten.
Sozialer Benachteiligung entgegenwirken
Die Abhängigkeit junger Menschen vom Bildungsstand und Vermögen ihrer Eltern ist in Deutschland seit vielen Jahren ein attestiertes Problem. In Zeiten des Lockdowns zeigt sich diese Tatsache auch in Bezug auf die Teilhabe und außerschulische Förderung: Während 40 % der Fachkräfte, die ihre Angebote grundsätzlich an alle junge Menschen richten, „fehlende materielle Ressourcen“ als ein Hindernis bei der Zielgruppe sehen, geben 60 % der Mitarbeiter:innen, die vorwiegend mit sozial benachteiligten jungen Menschen arbeiten, diesen Faktor als eine bedeutsame Hürde an. Die Wichtigkeit jugendsozialarbeiterischer Angebote, die der sozialen Benachteiligung entgegenwirken, wird in krisenhaften Zeiten umso stärker betont. Hier erweisen sich digitale Formen des Zugangs wiederum als Teil der methodischen Vielfalt. Sie dürfen jedoch nicht ausschließlich oder gar ersetzend verstanden werden.
Flexibilität und fachliche Weiterentwicklung
Digitale Werkzeuge haben während der Coronabeschränkungen einen wesentlichen Beitrag zur fachlichen Weiterentwicklung geleistet. Das Signal der befragten Fachkräfte, digitalen Formaten auch nach der Coronakrise einen größeren Stellenwert beimessen zu wollen, zeugt von deren Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft. Gleichzeitig ist der Breitband- und Mobilnetz-Zugang entscheidend für den Handlungsrahmen der Professionellen. Hier stoßen die Jugend(sozial)arbeiter:innen häufig an die Grenzen der brandenburgischen Infrastruktur.
Rund zwei Drittel der befragten Kolleg:innen wünschen sich in Zukunft geeignete Formate des kollegialen Austausches und der beruflichen Qualifizierung. FJB und lmb halten dafür eine dezentral wie auch parallel digital organisierte Struktur für sinnvoll, die bspw. im Rahmen regelmäßiger medienpädagogischer Netzwerke und Fachveranstaltungen Raum für fachliche Impulse, Reflexion und den Dialog mit Fachverwaltung und Fachpolitik schaffen. Medienpädagogische Fort- und Weiterbildungsangebote sollten deshalb konsequent verfolgt und nach Möglichkeit dezentral organisiert werden. Gleichzeitig ist die Brandenburger Landesregierung in der Verantwortung, den Ausbau der digitalen Infrastruktur zu befördern.
Leistungen der Jugend(sozial)arbeiter:innen anerkennen
Jugend(sozial)arbeiter:innen gestalten pädagogische Angebote unter besonderen Rahmenbedingungen: In Abgrenzung zur schulischen oder beruflichen Bildung ist das Beziehungsverhältnis der Erwachsenen und jungen Menschen in der Jugend(sozial)arbeit von Freiwilligkeit gekennzeichnet. Die pädagogischen Mitarbeiter:innen stehen daher immer in der Herausforderung, attraktive Formen der Kontaktaufnahme und Beziehungspflege zu entwickeln. Während der pandemiebedingten Schließung von Schulen und Jugendeinrichtung haben professionelle und ehrenamtliche Fachkräfte der Jugend(sozial)arbeit kurzfristig alternative – vor allem digitale – Formen der Kommunikation, Interaktion, Animation, Beratung und Unterstützung ausgebaut. Der FJB und der lmb sprechen ihre hohe Anerkennung für die geleistete Arbeit der Kolleg*innen aus.
Ihre Ansprechpartner
Dr. Florian Kerkau
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