13. Netzwerktagung 12. September 2024
Heimat – analog und digital. Zwischen Zuhause und Social Media
Neue Perspektiven auf Heimat im analogen und digitalen Raum
Am 12. September 2024 lud der Landesfachverband Medienbildung zur Netzwerktagung ins Medieninnovationszentrum der mabb ein, die in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und der mabb als Teil des Programms „Medienkompetenz stärkt Brandenburg“ durchgeführt wurde. Unter dem Titel „Wo und was ist eigentlich Heimat?“ wurde ein vielschichtiges Programm angeboten, das den Heimatbegriff neu beleuchtete und dessen Bedeutung in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft untersuchte. Die Tagung richtete sich an pädagogische Fachkräfte, Jugendsozialarbeiter*innen und Medienpädagog*innen und bot die Gelegenheit, sich intensiv mit dem Spannungsfeld zwischen digitaler und analoger Heimat auseinanderzusetzen.
Paneldiskussion: Heimat als umkämpfter Begriff
Den Auftakt bildete eine lebhafte und tiefgehende Paneldiskussion mit prominenten Gästen, die verschiedene Perspektiven auf das Thema „Heimat“ boten. Moderiert von Cornelia Brückner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Landesfachverbands Medienbildung, stand die Frage im Mittelpunkt: „Warum fällt es uns eigentlich so schwer, über Heimat zu reden?“
Zu den Podiumsgästen zählten
Annemarie Paulsen, Influencerin und Betreiberin des Biohofs Paulsen in der Uckermark, die über ihre Erfahrungen im Spannungsfeld von Tradition und Moderne in der Landwirtschaft berichtete. Mit über 126.000 Followern auf Instagram thematisiert sie auf humorvolle Weise das Leben auf dem Land und setzt dabei auf Authentizität und Gemeinschaft.
Dilan Aytac von den „Datteltätern“, einer Mediengruppe, die mit kritischem Blick auf gesellschaftliche Stereotype und Vorurteile, insbesondere gegenüber Muslimen, aufmerksam macht. In der Diskussion ging sie auf ihre persönliche Distanz zum Begriff „Heimat“ ein und betonte, dass für viele Menschen, die Diskriminierung erfahren, Heimat nicht als sicherer Ort empfunden wird.
Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz, Studiendekan und Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Döpfer, der das Panel mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ergänzte. Er hob hervor, dass Heimat für viele Menschen heute weniger ein geografischer Ort als vielmehr ein emotionaler Raum der Verwurzelung und Identitätsbildung ist. Besonders in Zeiten sozialer und politischer Unsicherheiten wird der Begriff emotional aufgeladen, was die Notwendigkeit unterstreicht, ihn auch positiv zu besetzen.
Die Diskussion zeigte, dass Heimat ein stark emotional geprägter Begriff ist, der für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen hat. Annemarie Paulsen berichtete von ihrer persönlichen Erfahrung, zwei Heimaten – Schleswig-Holstein und die Uckermark – in sich zu vereinen und wie sich ihr Blick auf den Begriff Heimat verändert hat, seit sie in Ostdeutschland lebt. Sie betonte, dass Heimat nicht statisch sein sollte, sondern Raum für Veränderung und Offenheit bietet.
Dilan Aytac hingegen äußerte ihre Skepsis gegenüber dem Begriff, da er für viele Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund eine belastete Konnotation hat. Sie stellte die Frage in den Raum, ob es überhaupt möglich ist, den Begriff neu zu definieren, ohne seine historische und politische Belastung zu ignorieren. Für sie, wie für viele in ihrer Community, spielt Zugehörigkeit eine zentrale Rolle, doch diese wird oft durch Ausgrenzung und Diskriminierung erschwert.
Professor Eylert-Schwarz lenkte die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Medienbildung. Er erläuterte, dass Heimat auch in digitalen Räumen entstehen kann – etwa durch virtuelle Communities, die Jugendliche und junge Erwachsene heute zunehmend als „Heimat“ empfinden. Diese virtuellen Räume bieten oft mehr Zugehörigkeit und Austausch als physische Orte, insbesondere in ländlichen Regionen, wo kulturelle Vielfalt oder Begegnungsräume fehlen.
Floating Room: Projekte und Vernetzung
Nach der Paneldiskussion hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, im Rahmen des Floating-Room-Konzepts verschiedene Projekte aus Brandenburg kennenzulernen, die digitale und analoge Formen von Heimat thematisieren. Diese offene Ausstellungs- und Austauschform ermöglichte es, die Projekte interaktiv zu erleben und Ideen zur Integration digitaler Bildungsangebote zu sammeln.
Besonders hervorgehoben wurden dabei folgende Initiativen
- Der Desinfopoint der mabb, der es den Besucher*innen ermöglichte, ihr Wissen im Umgang mit Desinformation und Fake News zu testen.
- Medialepfade, die mit ihrem Projekt „AntiAnti“ Ansätze zur Prävention von Online-Radikalisierung vorstellten und aufzeigten, wie Jugendliche im digitalen Raum unterstützt werden können.
- Die jumblr-Tours-App, die Perspektiven junger Menschen aus Brandenburg sichtbar macht und ihnen die Möglichkeit gibt, Themen wie Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz spielerisch zu erkunden.
- Der Jugendclub Biesenthal, der seine innovative Jugendarbeit mit der Spielplattform Minetest präsentierte und zeigte, wie digitale Spiele in der Pädagogik gewinnbringend eingesetzt werden können.
- Erich Benesch vom frrapó (freies Radio Potsdam) und Freies Radio für produzierten live eine Radiosendung zum Thema Heimat.
- Im Projekt TruthTellers haben sich drei Berliner Schulklassen der 8. und 9. Jahrgangsstufe in aufeinander abgestimmten Moduleinheiten mit den Themen Wahrheit, Erzählungen und Ideologien auseinandergesetzt, um so für Verschwörungserzählungen und Fake News sensibilisiert zu werden. Das Projekt konnte von den Besuchern vor Ort ausprobiert werden.
Fazit und Ausblick
Die Netzwerktagung Medienbildung 2024 bot eine inspirierende Plattform, um über den Begriff Heimat nachzudenken und ihn in einen neuen, zukunftsorientierten Kontext zu setzen. Die Paneldiskussion verdeutlichte, dass Heimat nicht nur als physischer Ort, sondern auch als emotionales und digitales Konstrukt betrachtet werden muss. Vor allem in der heutigen, global vernetzten Welt können digitale Räume eine neue Form von Heimat bieten, die sowohl Chancen für Teilhabe und Gemeinschaft als auch Herausforderungen im Umgang mit Desinformation und Filterblasen birgt.
Mit der Netzwerktagung wurde ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, den Begriff Heimat aus seiner oft konservativ geprägten Sichtweise herauszulösen und ihn als Raum der Vielfalt, Teilhabe und Innovation zu begreifen. Medienbildung spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sie pädagogische Fachkräfte und junge Menschen dazu befähigt, diesen Raum aktiv zu gestalten – sowohl analog als auch digital.
Die Veranstaltung endete mit einem lockeren Netzwerktreffen am Foodtruck, bei dem die Teilnehmer*innen die Gelegenheit hatten, sich weiter auszutauschen und neue Kooperationen anzustoßen.
Die Netzwerktagung ist eine Veranstaltung der Landesinitiative: Medienkompetenz stärkt Brandenburg. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS) und die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) sind Kooperationspartner der Initiative.
Ihre Ansprechpartner
Dr. Florian Kerkau
- Tel.: 0331-60 11 88 41
- Mobil: 01590 - 611 9 250
- Mail: kerkau@medienbildung-brandenburg.de